Semmelweis THE ARTISTS
Pro Monat wird ein/e KünstlerIn, die in dem freien Gebäude der Semmelweisklinik arbeite, vorgestellt und beantwortet 10 Fragen betreffend Kunst und Gesellschaft. Derzeit arbeiten rund 90 Personen dort.
Die Reihenfolge der vorgestellten KünstlerInnen ergab sich zufällig. Es gibt hier keine wie immer geartete Bewertung der künstlerischen Arbeit.
(Alle Künstler sind auf der Website der Semmelweisklinik vertreten, wo sich unter anderem auch die Veranstaltungshinweise zu den vielen Events befinden.)
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#4 / April
Name: Yoram Rosilio
Age: 44
Grew up in: First in a very poor and then in a very rich suburb of Paris, France
Education: High School/Music School
Area in which you currently work:
Improvisational Music / Composition
The 10 Questions
1. What was your very first career choice?
Archaeologist
2. Are you an artist?
(laughs) I guess „yes“, I guess „no“. In one way or another everybody is a bit of an artist in creating whatever. I am probably not more of an artist than anybody else. Let’s put it this way: I earn my living with art.
3. What is an artist? What makes an artist different from other professional groups?
Art is a langauge made of something other than words and some things can only be expressed without them. So being an artist is being a communicator, but a communicator who is generally free in his approach and has no obligation to please a specific audience or to promote a product, a brand or a company in order to generate sales.
4. What standards do you set for your work?
I love to work with a big ensemble (between six to twenty musicians) and try to create a structure, a space where improvisation and composition can meet. In this space the musicians are free to improvise but do asume responsibilities for one another. They create music within a social structure.
With this I try to achieve a higher state of consiousness through music. And there is the dimension of trance, which is important for me. Very often I don’t remember what I did during the concert. Reaching this different dimension is something that makes me feel very good.
5. Do you feel your work is somewhat needed by society?
Well sometimes I feel I am alone screaming in the desert but, yes: I believe that reaching a different dimension through this kind of music can benefit everybody. Through this we can ask questions about our place in the world, our existence and maybe discover new perspectives.
6. To which extent is your work influenced by financial needs?
I make no artistic compromises, but the fields in which I work generate little revenue. As a result, I rely heavily on grants and financial support for artistic creation. However, managing these applications is extremely time-consuming, taking away valuable time that I could otherwise dedicate to my creative work.
(GF: Yoram Rosilio has the „statut intermittent du spectacle“. This is a French solidarity system that provides assistance to workers in the entertainment industry. – for more info about it pls visit: https://fr.wikipedia.org/)
7. How do you define (long-term, short-term) success?
That is a super complicated question. Personally I am very distant from anything having to do with success in a traditional sense. I would like to play more concerts or get more invitations to music festivals, yes. When I play a concert even in a very small room and people scream, cry or laugh, this is success for me. It makes me super happy. For me, success comes from a double dynamic: being recognized by one’s peers and feeling fulfilled and aligned with one’s values.
8. Is there such a thing as failure in art?
Yes, sometimes it does not work. In free improvisation it can happen that people don’t feel good and don’t communicate. But failure, like the success of a work, remains subjective. Only the artist himself can judge. In the case of music, what is interesting is that it is very often a collective work and that the subjective perceptions of the musicians involved may not be in alignment.
9. An artist you admire?
Charles Mingus, Sun Ra, John Coltrane
10. Your best work?
My group Tikkun. We have been working together for over 10 years and have developed a musical language in which we communicate. And this group has a crazy effect on the audience. They really love it.
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#3 / März
Name: Elena Waclawiczek
Alter: 38
Aufgewachsen in: Graz
Ausbildung: Modellschule Graz/ Studium an der Universität für angewandte Kunst
Bereich in dem sie derzeitig tätig ist: Performance Art / Installation / Video / Grafik
Die 10 Fragen
1. Was war dein erster Berufswunsch?
Bäuerin, Sängerin, Schriftstellerin
2. Bist du eine Künstlerin?
Ja.
3. Was ist eine Künstlerin? Was unterscheidet sie von anderen Berufsgruppen?
Eine Künstlerin widmet sich mit einer hohen Intensität Dingen, die sonst in der Gesellschaft kaum Platz haben. Auch folgt die Tätigkeit des Kunstschaffens keinem vordergründigen Zweck, ist nicht Teil einer Wirtschaft.
Ich tue nicht etwas, damit dann dies oder jenes herauskommt. Ich schaffe keine Produkte. Schon das Tun an sich zählt. Das wäre ein Unterschied zu anderen Berufsgruppen.
4. Welchen Anspruch hast du an deine Werke?
Meine Arbeiten sollen berühren und Räume im Kopf öffnen. Ich lade den Zuschauer, die Zuschauerin ein, zu meinem Hören, meinem Sehen, meinem Spüren.
Diese Art der Kommunikation ist mein Ziel. Ihn oder sie hinzuführen zu der Art der Wahrnehmung, die ich entwickelt habe.
5. Fühlst du dich mit deinen Werken von der Gesellschaft gebraucht?
Ich fühle mich ignoriert, auf vielen Ebenen. Das hat aber nicht unbedingt mit mir persönlich oder meiner Arbeit zu tun, sondern ist ein allgemeines Phänomen. Ich glaube, weite Teile der Gesellschaft ignorieren ihre eigenes Bedürfnis nach künstlerischem Schaffen. Das ist schade, weil für mich dieses Schaffen ein Teil des Menschseins ist.
6. Wie weit wird deine Arbeit von finanziellen Bedürfnissen beeinflusst?
Die Frage verstehe ich nicht. (Gf.: Du könntest antworten, dass dich Geld im Bezug zu deiner Arbeit nicht interessiert. ) Gut, jetzt mit zwei Kindern bin ich in der Situation, dass ich mir denke, es sollte mich langsam interessieren. Aber auf den Inhalt meiner Arbeiten wird das keinen Einfluss haben.
7. Wie definierst du (kurzfristigen bzw. langfristigen) Erfolg?
Wenn es mir gelingt, an einem Prozess dran zu bleiben, nicht aufzugeben, das Projekt zu Ende zu bringen, dann war ich erfolgreich. Dadurch entwickelt sich mein Profil als Künstlerin, meine Spur. Wenn eine Arbeit erfolgreich war, dann habe ich etwas kommuniziert, was vorher nicht sichtbar oder spürbar war.
8. Gibt es ein Scheitern in der Kunst?
Ja. Und es ist sehr wichtig. Im künstlerischen Prozess halte ich die Begegnung mit dem Risiko für wesentlich. Das entscheidet auch oft darüber, ob eine Arbeit Tiefe und Qualität hat. Wenn man nicht bereit ist zu Scheitern, dann macht man besser etwas Anderes.
9. Ein/e Künstler/in, die du bewunderst?
Anna Adensamer. Mit ihr arbeite ich seit 14 Jahren zusammen. Und Artemisia Gentileschi, wegen ihrem Bild „La Pittura – Selbstporträt als die Allegorie der Malerei“, welches man auch als erstes feministisches Werk lesen kann.
10. Deine beste Arbeit bisher?
Das kann man eigentlich nicht beantworten. Die Videoinstallation „Immaterial Body“ mag ich sehr gern.
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#2 / Februar
Name: Elisabeth Blum
Alter: 48
Aufgewachsen in: in Bregenz
Ausbildung: Werbedesignakademie in Innsbruck / Studium der Publizistik/Kunstgeschichte
Beruflicher Werdegang: u.a. acht Jahre lang verantwortlich für die Multimedienabteilung einer NGO (Tierschutz)
Bereich in dem er/sie derzeitig tätig ist: Fotografie / Videos / Zeichnungen / Tierporträts
Angestellt bei einer Organisation, die Menschen bei der Reintegration in den Arbeitsmarkt unterstützt. Macht dort PR.
Die 10 Fragen
1. Was war dein erster Berufswunsch?
Mit den Hunden der Polizei-Hundestaffel spielen.
2. Bist du eine Künstlerin?
Das ist ein schwieriger Begriff. Da schwingen so viele Bilder mit. Aber „ja“ mittlerweile sehe ich mich schon als Künstlerin. Ob anderer Leute mich so sehen, ist mir nicht mehr wichtig.
3. Was ist ein Künstler? Was unterscheidet ihn von anderen Berufsgruppen?
Die Frage ist eigentlich zu komplex, um sie kurz beantworten zu können. Ich versuche es trotzdem: Ich denke, eine Künstlerin hat eine gewisse Narrenfreiheit, besonders wenn sie keine Auftragswerke produziert.
Und wenn jemand sich dazu entschieden hat, sich – aus welchen Gründen auch immer – als Künstler oder Künstlerin zu sehen, dann ist er oder sie es auch. Was die Unterscheidung zu anderen Berufen angeht, so bin ich nicht sicher, ob es sie überhaupt gibt. Warum soll ein Koch oder ein Gärtner nicht auch ein Künstler sein?
4. Welchen Anspruch hast du an deine Werke?
Die Arbeit soll etwas bei einem Betrachter auslösen. Und ich möchte die Bilder auch noch nach fünf Jahren anschauen können, und sie gut finden.
5. Fühlst du dich mit deinen Werken von der Gesellschaft gebraucht?
Die Welt braucht Kunst. Das hat man im Lockdown gesehen. Meine Kunst wird von der Gesellschaft als Ganzes wahrscheinlich nicht gebraucht, aber von der eine oder anderen Person sicher. Die erfreuen sich an meinen Arbeiten und das ist gut so.
6. Wie weit wird deine Arbeit von finanziellen Bedürfnissen beeinflusst?
Ich mache ja auch Auftragsarbeiten, und wenn jemand in meine Kunst investiert, ist auch das eine Form der Wertschätzung.
Der Plan war ursprünglich, von Auftragsbilder, und dann nur noch von meinen eigenen Bildern leben zu können. Daran arbeite ich noch. Mein Angestelltenjob und meine Auftragsbilder geben mir aktuell die Freiheit bei meinen eigenen Bildern künstlerisch zu experimentieren.
7. Wie definierst du (kurzfristigen, bzw. langfristigen) Erfolg?
Ich zahle hier Miete für das Atelier, und die sollte zumindest wieder herein kommen. Wenn das ohne Auftragsarbeiten oder Angestelltenjob geht, ist das ein Anfang. Durch den finanziellen Erfolg würde ich mich wahrscheinlich auch weniger als Künstlerin in Frage stellen. Andererseits bin ich vielleicht eben auch deshalb Künstlerin, weil ich mich und meine Arbeit immer wieder in Frage stelle.
8. Gibt es ein Scheitern in der Kunst?
Nein. Alle sollten Kunst ausprobieren und sich nicht abschrecken lassen von diversen Kritikern. Wenn jemand noch nicht seine/ihre beste Arbeit gemacht hat, sollte man sie/ihn dabei unterstützen, mutiger zu sein oder sich weiter zu entwickeln. Kunst kann nicht scheitern. Gibt es ein Scheitern in der Liebe?
9. Ein/e Künstler/in, die du bewunderst?
Jean-Pierre Jeunet , Regisseur von „Delicatessen“, „Die fabelhafte Welt der Amelie“
Babette Cole, englische Kinderbuchautorin und Illustratorin
10. Deine beste Arbeit bisher?
Das ändert sich ständig. Aktuell mag ich ein Foto, das ich von meiner Nichte gemacht habe. Da ist es mir gelungen ihr lebendiges Wesen einzufangen. Sie ist drei Jahre alt und ein Wirbelwind. Das Bild zeigt wegen der Sichtachsen neben ihrem Temperament auch ihre nachdenkliche, sanfte Seite.
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#1 / Januar
Name: Frederik Marroquin, 33
Aufgewachsen in: einem Dorf in der Nähe von Stuttgart
Ausbildung: Kommunikationsdesign an der Hochschule Mainz, Akademie der bildenden Künste, Wien
Bereich in dem er/sie derzeitig tätig ist: Performance Art / Installation
Die 10 Fragen
1. Was war dein erster Berufswunsch?
Astronaut oder Dinoforscher.
2. Bist du ein Künstler?
Ja.
3. Was ist ein Künstler? Was unterscheidet ihn von anderen Berufsgruppen?
Das kann man nur von sich selbst sagen bzw. für sich selbst bestimmen. Für mich ist Kunst und das Künstlersein eine Form, die Welt begreifbar zu machen. Kunst zu machen bedeutet für mich, ungebunden von einem Zweck, mich von meiner Neugier leiten lassen zu können. Es ist eine poetische Auseinandersetzung mit Form, mit Bewegung, mit intuitiven Prozessen.
4. Welchen Anspruch hast du an deine Werke?
Dass sie mich herausfordern und überraschen.
5. Fühlst du dich mit deinen Werken von der Gesellschaft gebraucht?
Ich würde das nicht als „Gebrauchtwerden“ beschreiben. Was ich aber merke, ist eine starke Resonanz, wenn ich vor meinem Publikum stehe. Da ist etwas, was die Leute fasziniert, verwirrt, oder auf irgendeine Art beschäftigt. Ja, doch, da spüre ich eine große Feinfühligkeit seitens des Publikums. Und ich bin überzeugt, dass die Gesellschaft auch uns als Semmelweisklinik braucht.(Anm:Der Kunstverein Semmelweisklinik wird unter Semmelweis THE PROJEKT beschrieben.)
6. Wie weit wird deine Arbeit von finanziellen Bedürfnissen beeinflusst?
Kunstmarktmäßig ist meine Arbeit so ziemlich das Dümmste, was man machen kann. Bei mir gibt es keine Endkunden, die etwas kaufen könnten. In meinem Bereich stellt sich diese Frage anders. Und zwar: wer sieht meine Arbeit? Ist im Publikum da die eine Person, die meine Arbeit schätzt und Zugang zu Ressourcen hat? Das können öffentliche Mittel für Kunst im öffentlichen Raum oder diverse Einrichtungen sein, oder jemand, der gerade ein Bühnenbild braucht und ein Budget dafür hat.
7. Wie definierst du (kurzfristigen, bzw. langfristigen) Erfolg?
Für mich ist sehr klar, dass ich bis ans Ende meines Lebens irgendeine Form von Kunst machen möchte. Das will ich erreichen, mit allem was ich tue. Das ist für mich Erfolg. Und natürlich ist es interessant, wenn eine große Institution auf mich aufmerksam wird. Da sind dann plötzlich ganz andere Ressourcen im Spiel mit denen man arbeiten kann. Große Räume bespiele ich sehr gerne. Das Sculpture Center in New York wäre z.B. so eine Institutionen, wo ich gerne einmal etwas machen würde. Das wäre aber wohl immer nur eine Station und nicht der Endpunkt oder das Ziel meiner Arbeit.
8. Gibt es ein Scheitern in der Kunst?
Ja, auf jeden Fall. Unehrlichkeit in der eigenen Arbeit ist gleichbedeutend mit Scheitern. Wenn es mich bei einer Arbeit z. B. nicht so kitzelt, dann ist das schon ein erster Schritt, wo ich mir denke: das wird nichts. Bei einer Performance kann ja auch immer etwas schief gehen. Wenn die Arbeit zum Beispiel nicht die Intensität hat, die ich mir vorgestellt habe.
9. Ein/e Künstler/in, die du bewunderst?
Hito Steyerl finde ich ganz großartig. Ein Künstler, der mich auch immer wieder begleitet, ist Franz Erhard Walther. Und klar: da gibt es auch die All-Time-Classics wie Marina Abramovic.
10. Deine beste Arbeit bisher?
Das ist schwer zu sagen, aber wenn ich mir eine Arbeit aussuchen müsste, dann wäre das vielleicht eine, die ich zusammen mit Dorian Bonelli gemacht habe. Die Arbeit „52 Zähne“ war eine Performance mit einer Installation, die wir gemeinsam im Rahmen des Festivals „Bonanza Fest 2023“, in Köln gezeigt haben.